Sprengel-Kommunen nach gut einem Jahr Corona:
Fortsetzung...

Impfstart
Währenddessen starteten die Impfungen, und darauffolgend auch die Möglichkeit flächendeckender Schnelltestungen. Für die Kommunen bedeutete das abermals, etwas Neues schnell und funktionierend organisieren und umsetzen zu müssen – und parallel dazu übrigens noch die Landtagswahl in Baden-Württemberg zu stemmen. Viernheims Bürgermeister Matthias Baaß hat, stellvertretend für sämtliche Sprengel-Gemeinden, aufgelistet, was zu tun war: die Über-80-Jährigen per Brief mit allen relevanten Informationen rund um die Impfung versorgen, ein Servicetelefon einrichten, um die Zielgruppe beim Registrieren und bei der Terminvereinbarung zu unterstützen, Kontakt mit Taxiunternehmen aufnehmen wegen der Einrichtung eines Impftaxis, Vor-Ort-Impftage organisieren inklusive Einladung und Abtelefonieren der Interessierten sowie Unterstützung beim Ausfüllen der Anamnesebögen, Impfungen vor Ort mit Helfern begleiten.

Andreas Metz hat für seine 9.000-Einwohner-Gemeinde Ilvesheim einmal den Personalaufwand für die Vor-Ort-Impfung bilanziert: „Das waren zusammengerechnet vier Wochen Arbeit für zwei Mitarbeiter. Allein die Terminvereinbarungen für die Über-80-Jährigen bedeuteten drei Monate Arbeit für eine Halbtagskraft.“

Für das Angebot und die Einrichtung von Schnelltestzentren bzw. Testungen von Kita- und Grundschulpersonal gilt das Gleiche; auch hier sind die Planungen und die Durchführungen von regelmäßigen Tests mit einem ähnlich hohen Zeit- und Personalaufwand verbunden.
Gut, dass viele im Sprengel hierbei auf ihre Ehrenamtlichen bauen konnten. „Dafür bin ich unendlich dankbar, denn ohne dieses Engagement wäre das alles so gar nicht zu stemmen gewesen“, sagt Hemsbachs Bürgermeister Kirchner und spricht damit seinen Kollegen sicherlich aus dem Herzen.

„Routiniert“ durch die dritte Welle?
Nach gut dreizehn Monaten Pandemie lässt sich sagen: All das läuft inzwischen. Wenn auch nicht immer reibungslos. Das mag auch daran liegen, dass Corona inzwischen fast sämtliche Bereiche des gesellschaftlichen Lebens und Zusammenlebens beherrscht, um nicht zu sagen, sich wie Mehltau darübergelegt hat. Wortkreationen wie „mütend“ beschreiben die Gefühlslage vieler Menschen wohl sehr treffend, auch wegen der tatsächlich zuweilen doch sehr unklaren, wenn nicht widersprüchlichen Verordnungen, die jetzt auch immer mehr Politiker auf den Plan rufen, die sich für klare, einheitliche Regelungen aussprechen.

Inzwischen ist die dritte Welle hereingebrochen, und es ist – trotz Impffortschritt und breitem Testangebot – kein Ende in Sicht, auch hinsichtlich der Einschränkungen nicht, welche die Menschen hinnehmen müssen, damit eine weitere unkontrollierte Ausbreitung des Virus verhindert wird. Gerade wird die „Bundes-Notbremse“ auf den Weg gebracht, bundesweit verbindliche Regelungen, die bei bestimmten Infektionsraten, sprich sogenannten Inzidenzzahlen, gelten sollen. Neue Rahmenbedingungen also, aber die Maßnahmen an sich sind ja hinreichend bekannt und sozusagen durchexerziert.

Kritik aus den Rathäusern
Routine also für die Kommunen nach einem Jahr? Wohl eher nicht. Um im Bild zu bleiben, könnte man vielleicht sagen, man hat im kalten Wasser schwimmen gelernt. Denn eines gilt nach wie vor: Vor Ort geht es immer um das „Machen“. Gesetze und Verordnungen mögen flott beschlossen sein, aber eben nicht von jetzt auf gleich umgesetzt. Hier setzt die grundsätzliche Kritik vieler Sprengel-Bürgermeister an Bund und Land an: „Das ‚Was‘ war immer ganz schnell bekannt und über die Pressestellen von Bund und Land verteilt. Aber das ‚Wie‘ und ‚Wer macht’s‘ kommt dann mit Zeitverzug. Somit waren wir Handelnde vor Ort immer wieder zur Improvisation aufgerufen, was uns dann zum Teil noch als unprofessionell, zögerlich oder gar unfähig attestiert wurde. Unsere Verwaltungen, die Herausragendes leisten und an sieben Tagen die Woche, teilweise rund um die Uhr, verfügbar sind, haben das nicht verdient“, resümiert Bürgermeister Ralf Gänshirt aus Hirschberg, fügt aber hinzu: „Glücklicherweise erfahren wir auch viel Wertschätzung, Lob und Anerkennung. Wir werden zum Wohl unserer Bürgerinnen und Bürger weiterhin alles geben, um diese Pandemie gemeinsam zu besiegen.“

Jüngstes Beispiel für einen solchen Schnellschuss, der sich dann als einer in den Ofen herausstellte: die sogenannte „Osterruhe“. Oder die Entscheidungen zur Öffnung von Schulen und Kitas und zu den Schnelltests: „Hier werden in der Ministerpräsidentenrunde Festlegungen ohne irgendwelche Strategien getroffen und ohne dass gefragt wird, ob dafür überhaupt eine entsprechende Infrastruktur da ist“, sagt Christoph Oeldorf, Bürgermeister der Gemeinde Wilhelmsfeld.

David Faulhaber aus Dossenheim pflichtet seinem Kollegen bei: „Ich kann mich nur wiederholen: Wir Kommunen stehen am Ende einer langen Informationskette, aber an vorderster Front bei der Umsetzung von Verordnungen und Beschlüssen. Dabei wird ein Großteil der Arbeit in der Corona-Krise durch die Kommunen geleistet. Wir sind es, die die Kastanien aus dem Feuer holen.“

Oder man denke an die ersten Lockerungsbeschlüsse: Vielen Bürgerinnen und Bürger konnte das alles nicht schnell genug gehen, und so mancher schimpfte völlig zu Unrecht auf die „trägen Verwaltungen“, die freitagabendlich beschlossene Landesverordnungen schon montags morgens umgesetzt haben sollten. Den Wunsch nach mehr Geduld und Verständnis und auch mehr Wertschätzung für die Arbeit, die tagtäglich in diesen Zeiten vor Ort geleistet wird, teilen mehr oder weniger alle Sprengel-Bürgermeister.

Langzeitfolgen: leere Kassen?

Nun, so wie es aussieht, stehen Lockerungen ohnehin so bald nicht an, eher im Gegenteil. Aber auch, wenn das alles einmal vorbei und wieder Normalität eingetreten sein sollte, dann wird eine neue Debatte Fahrt aufnehmen, nämlich die über die leeren Kassen vieler Kommunen. Für Gemeinden, die finanziell ohnehin nicht auf Rosen gebettet waren, wird die Corona-Lage mittlerweile zu einer enormen Belastungsprobe.

Jeder Bürgermeister könnte ein Buch darüber schreiben, wie sich Corona in seiner Gemeinde ausgewirkt hat, wie sich die Stimmung mit der Zeit verändert hat, wie die anfängliche Solidarität der Menschen wieder dem Egoismus gewichen ist. Oftmals, so der Hemsbacher Rathauschef Jürgen Kirchner, wurden Bürgermeister und Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter Zielscheibe des Zorns der Bürgerinnen und Bürger, welche die Maßnahmen aus der Corona-Verordnung nicht nachvollziehen konnten. „Dabei waren die Verwaltungen oftmals eben nur der Überbringer einer schlechten Nachricht.“

Zusammenhalt auf allen Ebenen wichtig

Deshalb sind sich alle Bürgermeister einig: So wie die Solidarität im Bürgermeister-Sprengel das Krisenmanagement einfacher und erträglich macht, so wünschen sich die Rathauschefs auch mehr Solidarität in unserer Gesellschaft, damit die Krise gut gemeistert werden kann und dabei der gesellschaftliche Zusammenhalt nicht auf der Strecke bleibt. Ein Zusammenhalt, wie ihn Laudenbachs Bürgermeister-„Neuling“ Benjamin Köpfle, für den Corona gleich die „Feuertaufe“ bedeutete, erfahren hat und der ihm wichtige Rückendeckung bot: „Seit meinem Amtsantritt als Bürgermeister befinden wir uns im Pandemiemodus. Das war und ist natürlich eine besondere Herausforderung. Zugleich bin ich beeindruckt und dankbar, wie alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gemeinde an einem Strang ziehen, um neben dem Alltagsgeschäft auch noch alles dafür zu tun, um Corona in Schach zu halten. Nur durch diese Teamleistung sind wir bisher vergleichsweise gut durch die Pandemie gekommen.“

Sein Ladenburger Amtskollege Stefan Schmutz stimmt uneingeschränkt zu: „Wenn man der Pandemie etwas Gutes abgewinnen möchte, dann doch, dass sich gezeigt hat, wie wichtig und wertvoll eine funktionierende Kommunalverwaltung ist.“

Autor:

GS Redaktion aus Ilvesheim

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