Bericht vom ersten digitalen Infostand 12.2.2021:
"Was macht Corona mit unseren Kommunen?"

Uli Sckerl hatte zum ersten digitalen Infostand geladen. In der Auftaktveranstaltung drehte sich alles um die Frage: Was macht Corona mit unseren Kommunen? Geladen waren neben interessierten Bürgerinnen und Bürgern langjährige Kommunalpolitikerinnen und –Politiker, die aus der Praxis berichteten.

Durchweg positiv hervorgehoben wurde die Unterstützung der Kommunen durch das Land. „Natürlich, die Einnahmen sind nicht mehr so hoch wie zuvor“, stellte Thomas Embach, Fraktionschef der Grün-Bunten Liste in Hemsbach fest, „aber, das Land hat die Einnahmeausfälle bisher sehr großzügig kompensiert. Wir haben da einen verlässlichen Partner.“ Das sei insbesondere wichtig, da die kommunalen Gremien derzeit mit Haushaltsberatungen beschäftigt seien. So wird beispielsweise in Laudenbach der Haushalt in zehn Tagen verabschiedet. Das bereitet Frank Czioska, Vorsitzender der Grünen im Laudenbacher Gemeinderat, dann doch etwas Kopfzerbrechen: „Laudenbach läuft in einen richtigen Engpass rein, wir müssen da zielgerichtet gegensteuern. Am meisten besorgt mich aber, dass eindeutig aufgerechnet wird: Corona gegen den Klimaschutz“, ärgert sich Czioska, doch das sei ein Trugschluss. „Corona, das ist irgendwann vorbei. Der Klimawandel aber kommt unausweichlich und wird dann deutlich schlimmer als die jetzige Pandemie. Das ist einfach noch nicht angekommen.“ Wichtig sei ihm dabei, dass Klimaschutz im Kleinen beginne. „Nicht zuletzt haben die Kommunen die Möglichkeit, den Klimaschutz zu forcieren. Aber beim Klimaschutz wird immer auf die Finanzen abgestellt und der Engpass wird dann mit Corona begründet.“

Natürlich kennt auch Fadime Tuncer als stellvertretende Bürgermeisterin aus Schriesheim das Problem. „Wichtig ist es, dass neue Projekte immer auch an den Klimaschutz mitdenken. Natürlich ist die Finanzlage derzeit nicht hervorragend. Gerade in Hinblick auf den Sanierungsstau, doch den gab es schon vor der Pandemie. Aber, die Überbrückungshilfen des Landes haben sehr geholfen.“
Friedeger Stierle, Grüner Fraktionsvorsitzender aus Dossenheim, verglich die aktuelle Haushaltssituation in Dossenheim mit dem Niveau von 2017. „Von da an ging es dann steil bergauf“, fügt er hinzu. Die jetzige Situation sei handhabbar, insbesondere aufgrund der Landeshilfen. Er erklärt weiter: „Aber, wir nehmen das erste Mal seit Jahren wieder Kredite auf. Das muss sein, denn wir wollen in den Klimaschutz investieren.“ Da sei sich der Gemeinderat zum Glück einigermaßen einig.

„Ladenburg steht finanziell tatsächlich ganz gut dar“, erklärte Max Keller, der Chef der Grünen-Fraktion in Ladenburg. Die Kommune verzeichne noch immer gute Gewerbesteuereinnahmen, er und seine Kolleginnen und Kollegen in der Kommunalpolitik blickten positiv auf die kommenden zwei Jahre. „Die Hilfen, die durch das Land kamen, haben in der Tat sehr geholfen.“ Dass Corona aber alles kaschiere, da müsse er Frank zustimmen. Zumindest in Ladenburg habe der Gemeinderat aber viele ambitionierte Anträge in Bezug auf den Klimaschutz verabschiedet.
Was aber fehle, sei der direkte Austausch mit den Bürgerinnen und Bürgern, fügt die stellvertretende Bürgermeisterin Fadime Tuncer hinzu „Das ist einfach wichtig für unsere tagtägliche kommunalpolitische Arbeit“, sagt sie. Von Verwaltungsseite laufe das tägliche Geschäft aber wie gewohnt weiter, man höre wenig Klagen. „Auch die von uns angebotenen Fahrdienste zu den Impfungen werden rege in Anspruch genommen“, fügt sie hinzu.

Nur die Ansprache der über 80-Jährigen bei der Impfung habe nicht so gut funktioniert, erwidert Max Keller. Im Gegensatz zur Impfung an sich, da hätten alle Beteiligten schnell und vorbildlich reagiert. „Da sind die Leute teilweise echt begeistert“, freut sich Max Keller. Viele hätten bereits ihre zweite Impfung erhalten. Ladenburg habe sich auch für ein lokales Impfzentrum beworben, erzählt er weiter, und neben Uli Sckerl, der seit Beginn der Corona-Pandemie einen täglichen Newsletter versende, stelle auch der Bürgermeister jeden Freitag Informationen zur Verfügung. So könne der Gemeinderat weiterhin sehr gut arbeiten.
Problematisch sei aber die Situation der Vereine, stellt Günther Heinisch, Vorsitzender der Grünen-Fraktion in Heddesheim klar. Ein Großteil der Einnahmen komme von Bewirtungsaufträgen auf Dorffesten. „Das fällt jetzt natürlich weg“, fügt er besorgt hinzu. Hier dürfe man nicht nur fordernd nach Stuttgart zeigen, stellt er klar. Er ärgere sich insbesondere, dass im Gemeinderat zwar die Vereinsförderrichtlinien der Jugendarbeit angepasst wurden, die Verbesserung aber nur für den Bereich Sport greife. „Kultur, Gesang und Theater hat die CDU-Fraktion einfach hinten wegfallen lassen“, empört sich Heinisch.

Zumindest etwas Abhilfe könnten hier Aktionen wie das abgewandelte Altstadtfest bringen. In Ladenburg habe man das Traditionsfest dieses Jahr als „To-Go“-Aktion gestaltet, fügt Max Keller freudig hinzu. Die diversen Veranstalter verkauften ihre Waren dieses Jahr als Paketaktion, so sei zumindest etwas Geld geflossen.
Natürlich kam auch das Thema der stockenden Bundeshilfen auf. Man wisse, dass hier nicht das Land verantwortlich sei, sagten alle Beteiligten. Man wünsche sich aber doch, dass das Land den Bund mehr trieze. So manche*r Selbstständige werde sein Geschäft möglicherweise nicht mehr öffnen können, ließen die Bundesfinanzhilfen noch länger auch sich warten.
Ein Paradigmenwechsel stellte dabei für alle Diskutierenden die Neuverteilung der Verantwortung für mögliche Ausgangsbeschränkungen dar. Wurden diese bis zum 10. Februar noch flächendeckend vom Land angeordnet, werden seit dem 11. Februar die Kommunen in die Pflicht genommen. Der Rhein-Neckar-Kreis hat schnell reagiert. Am Freitag trat die regionale Ausgangsbeschränkung ab 21:00 Uhr in Kraft, auf Anordnung der Kommunen. Auch hierzu forderte Uli Sckerl die Teilnehmenden zu einer kritischen Stellungnahme auf. Es folgten viele Wortmeldungen. Die lokale Ausgangssperre als ultima ratio wurde einstimmig begrüßt. Irritiert zeigten sich viele vom lokalen Infektionsgeschehen. So betrug die Sieben-Tage-Inzidenz in Heidelberg am Freitag 26,6, Mannheim meldete zur gleichen Zeit einen Wert von 69,2. Claudia Schmiedeberg, Hirschberger Kreisrätin und Vorstand der Grünen Liste, aus der Region, lieferte einen interessanten Erklärungsansatz. „Viele, die in Heidelberg leben, sind schlichtweg sehr jung und somit viel in der Schule oder den Universitäten. Haben die dann geschlossen, ist das Ansteckungsrisiko in der Stadt einfach geringer.“ Interessant fände sie deshalb einen Vergleich des Infektionsgeschehens nach Altersgruppen. Sie vermute, dass die Unterschiede dann gar nicht mehr so groß seien. „Meiner Meinung nach ist das ein rein demografischer Effekt“, schloss die Weinheimer GAL-Fraktionsvorsitzende Elisabeth Kramer ab.

In Bezug auf das Infektionsgeschehen kritisierte Friedeger Stierle, dass ihm bisher kein System bekannt sei, welches systematisch erfasse, wo es Übertragungsherde gebe, abgesehen von Alten- und Pflegeheimen. Hier sehe er klaren Nachholbedarf von Seite des Landes. „Auch (Alters-) Kohorten hätte man besser untersuchen müssen“, bemängelte Herr Stierle. „Wir brauchen schlichtweg mehr wissenschaftliche Steuerung in der Pandemie“, fasste der Grüne Fraktionsvorsitzende aus Dossenheim seine Kritik zusammen.
Von der Basis berichteten die meisten, dass die Stimmung nicht schlecht sei, sich aber langsam ein Lagerkoller ausbreite. Ausdrücklich hingewiesen wurde dabei auf die Situation der Mütter. Man habe es sich anders gewünscht, man habe auch gedacht, dass die Gesellschaft inzwischen weiter sei, sagte Elisabeth Kramer. „Doch die Krise zeigt: Die Hauptlast der Gesellschaft tragen noch immer die Frauen, insbesondere die Mütter. Das merke ich auch oft vor Ort, in Gesprächen mit Bürgerinnen.“ Passend dazu berichtete Claudia Schmiedeberg von einer aktuellen Umfrage, die sie in Zusammenarbeit mit anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern durchgeführt habe. Im Verbund habe man eine Umfrage gestartet, um die Belastungssituation bei den Bürgerinnen und Bürgern zu erfragen, erklärt sie. „Man sieht, dass die Belastung heute stärker ist und man der ganzen Situation, den ganzen Beschränkungen weniger Gutes abgewinnen kann. Trotzdem sagt die Mehrheit der Leute, dass sie auch das Positive und Gute an der Situation sehen. Was das genau heißt, wird sie in einem kommenden Infostand von Uli Sckerl darstellen. Dass die Menschen langsam ermüden stellte auch Uli Sckerl fest, der selbst fest verwurzelt in der Kommunalpolitik ist: „Wir müssen sehr aufpassen, dass wir nicht in eine Situation geraten, in der die Unterstützung durch die Bevölkerung wegbricht. Dinge müssen gut erklärt werden, teilweise wahrscheinlich besser.“

„Hier werden wir nach der Pandemie einiges evaluieren müssen“, stimmt Uli Sckerl ihr zu. „Bei diesem Prozess werden die Kommunen eine wichtige Rolle spielen.“ Unverblümt spricht der Abgeordnete über Fehler, die gemacht wurden. Man habe nicht gewusst, dass eine ganze Produktionsstrasse von Biontech entsorgt werden musste, aufgrund chemischer Verunreinigung. „Diese 1 Million Dosen haben dann natürlich vor Ort fehlt.“ Auch die EU habe inzwischen eingeräumt, dass nicht alles perfekt gelaufen sei. „Das sind die Fehler die passieren, wenn du etwas machst, wofür es keine Blaupause gibt. Wenn du jeden Tag eine neue Situation hast, zu deren Lösung du nicht kurz ein Handbuch aufschlagen kannst. Das ist ziemlich herausfordernd.“

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