Die umstrittene Figur wurde über der Gedenktafel zwar entfernt, aber nun an anderer Stelle wieder aufgebaut / Entsetzen beim Arbeitskreis „Jüdische Geschichte“ und beim Vermittler Hubert Kolkhorst
„Gemüse-Fritz“ ist wieder da

Einfach nur erschreckend: Der Gemüse-Fritz wurde nun auf die hintere Mauer des Synagogen-Bereichs gestellt.
  • Einfach nur erschreckend: Der Gemüse-Fritz wurde nun auf die hintere Mauer des Synagogen-Bereichs gestellt.
  • hochgeladen von Axel Sturm

„Gemüse-Fritz“ wurde entfernt, lautete die Überschrift eines LAZ-Artikels vom 26. Februar, in dem über den Rückbau einer umstrittenen Figur über der Gedenktafel der ehemaligen Jüdischen Synagoge in der Hauptstraße berichtet wurde. Der Standort des „Gemüse-Fritz“, der eine Weinflasche in der Hand hält, erregte viele Jahrzehnte bei geschichtsbewussten Menschen, aber auch bei jüdischen Besucherinnen und Besuchern die Gemüter. Schließlich war die Synagoge der Mittelpunkt des jüdischen Lebens in Ladenburg. Die Zerstörung der Synagoge am 10. November 1938 war eines der dunkelsten Kapitel der Stadt. Nach dem Krieg erwarb ein Gemüsehändler die zerstörte Synagoge. Er nutzte sie zuerst als Lagerstätte für Gemüse. Später wurde die Synagoge abgerissen und auf dem Gelände wurden Wohnungen gebaut.
Der Standort des Gemüse-Fritz sorgte in den letzten Jahrzehnten immer wieder für Irritationen und Streit. Nicht nur die jeweiligen Bürgermeister versuchten eine Entfernung der Figur zu erreichen – auch der Arbeitskreis Jüdische Geschichte mahnte seit der Aufstellung der Figur die Entfernung an.

Die Vermittlungsversuche des geschichtsinteressierten Heddesheimer Bürgers Hubert Kolkhorst führten schließlich zu dem gewünschten Ergebnis. Die Figur wurde Mitte Februar vom städtischen Bauhof abgebaut und die Sache wurde damit zur Zufriedenheit aller Beteiligten gelöst. Die heutige Eigentümerin sollte nun ihren Frieden haben, denn sie störte es, dass der Gemüse-Fritz bei den jüdischen Stadtrundgängen immer wieder Thema war. Die heutige Eigentümerin fühlte sich übrigens an eine Zusage an den Verkäufer verpflichtet, der beim Verkauf des Hauses einforderte, dass der Gemüse-Fritz nicht entfernt werden darf. Auch der Arbeitskreis Jüdische Geschichte war erleichtert. Die Sprecherin Ingrid Wagner schrieb sogar eine Art „Entschuldigungsbrief“, in dem zum Ausdruck gebracht wurde, dass die Stadtführer niemanden verletzen oder gar anprangern wollten. Auch Hubert Kolkhorst war zufrieden, denn nach vielen Gesprächen sah die Hauseigentümerin vermeintlich ein, dass eine solche Figur im Synagogenumfeld nicht passend ist. Auch Bürgermeister Schmutz freute sich über den Durchbruch und dankte allen Beteiligten für ihre Bereitschaft zur Lösung des Problems einen Beitrag geleistet zu haben. Anstelle des entfernten Gemüse-Fritz wurde ein Gemüse-Korb angebracht, der mit Blumen bepflanzt werden sollte.

Gemüse-Fritz steht jetzt im Obergeschoss

Die Freude der Standort-Gegner war allerdings nur von kurzer Dauer. Die umstrittene Figur wurde nämlich jetzt von der Hauseigentümerin auf die erhöhte hintere Mauer gestellt. Sie grüßt nun von noch höherer Stelle die Betrachter. Am jetzigen Standort stand die Außenmauer mit den drei Spitzbogenfenstern der Synagoge, die 1967 wegen der massiven Beschädigungen abgebrochen werde musste.

Für die an der Problemlösung beteiligten Personen ist die erneute Aufstellung der Figur ein „Skandal“. „Die offensichtliche Provokation ist für mich skandalös. Ich bin stocksauer, denn wir haben eine dauerhafte Entfernung der Figur erwartet. Dass der Gemüse-Fritz nach nur wenigen Tagen an einer noch sichtbareren Position aufgestellt wurde, zeigt, dass die Hauseigentümer die geschichtliche Tragweite des Standorts nicht verstanden haben“, meinte Ingrid Wagner, die Sprecherin des Arbeitskreises Jüdische Geschichte ist.
„Ich verstehe die Welt nicht mehr. Ich war entsetzt als ich von der erneuten Aufstellung des Gemüse-Fritz hörte. Leider muss ich feststellen, dass die Hauseigentümerin unbelehrbar ist“, sagte Kolkhorst auf LAZ-Anfrage. Er erhielt von der Eigentümerin sogar ein „böses Schreiben“ in dem ihm vorgeworfen wird, dass er sich mit der Vermittlung auf Kosten der Hauseigentümerin in den Vordergrund spielen wollte. Er werde das Schreiben nicht beantworten, sagte der Heddesheimer, denn auch für ihn ist die Sache nach der Konfrontation erledigt. „Das ist sehr enttäuschend gelaufen und passt nicht mehr in die erforderliche Aufarbeitung der Vergangenheit“, sagte Kolkhorst der LAZ. 

Entsetzt über den Vorgang ist auch das Gründungsmitglied des Arbeitskreises Jüdische Geschichte, der Historiker Dr. Jürgen Zieher. „Es ist mir unverständlich, dass die Figur nun an anderer, exponierter Stelle erneut platziert wurde – ich hätte mir ein sensibleres Verhalten der Eigentümerin gewünscht“, sagte der Wissenschaftler, der zweifelsohne der profundeste Kenner der jüdischen Geschichte Ladenburgs ist.

Bürgermeister Stefan Schmutz sprach von „einem Schlag ins Gesicht“, als er von der erneuten Aufstellung der Figur an anderer Stelle hörte. „Die neue Situation irritiert und sorgt für neue Missverständnisse“, meinte Schmutz. Die Hoffnung, dass die Figur an der neuen Stelle entfernt wird, hat Schmutz allerdings noch nicht aufgegeben. Er will jetzt versuchen „im Sinne aller Beteiligten nochmals das Gespräch zu führen“.
Ist die Hausbesitzerin überhaupt zu einem Gespräch bereit? Diese und weitere Fragen bat die LAZ am Samstagmorgen vor Ort zu beantworten. „Ich spreche wegen der Figur nicht mit der Presse. Die Sache ist erledigt“, sagte die Hauseigentümerin, die eigentlich mit der Entfernung des „Gemüse-Fritz“ ihren Frieden haben wollte.

Kommentar

Fehlendes Geschichtsbewusstsein
Dass eine Figur mit einer solch verhöhnenden Ausstrahlung wie der „Gemüse-Fritz“ über 40 Jahre genau über der Gedenktafel für die Jüdischen Synagoge stehen konnte, ist für sich allein schon ein Skandal. Der Standort der Figur zeugt von mangelndem Geschichtsbewusstsein der Hauseigentümer, denn auch in Ladenburg fanden menschenverachtende Verbrechen an den Mitgliedern der jüdischen Gemeinde statt. Die Synagoge war schließlich der Mittelpunkt des jüdischen Lebens in der Stadt und daran muss immer wieder ernsthaft erinnert werden. Dass ausgerechnet an dieser Stelle eine Kasperfigur stand, ist alles andere als angemessen. Gerade in Ladenburg wurde die jüdische Vergangenheit vom Arbeitskreis Jüdische Geschichte vorbildlich aufgearbeitet und daher ist die Empörung über die erneute Aufstellung der Figur verständlich.

Genau wie der ehemalige Standort über der Gedenktafel ist auch der neue Standort skandalös. Im Umfeld einer von Nazis zerstörten Synagoge hat eine Figur wie der Gemüse-Fritz nichts zu suchen. Nichts auf der vorderen Mauer und nichts auf der erhöhten hinteren Mauer – einfach nirgendwo. Fakt ist: Der Gemüse-Fritz muss für immer weg – erst dann kehrt die Ruhe ein, die sich die Hauseigentümer so sehr wünschen.
Axel Sturm

Autor:

Axel Sturm aus Ladenburg

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