Der Staat sollte in Krisenzeiten hingegen investieren / Prof. Hagen Krämer stellte in Ladenburg sein Buch „Staatsverschuldung mit Wumms“ vor
Nur die schwäbische Hausfrau spart in Coronazeiten

Prof. Hagen Krämer hielt in Ladenburg einen interessanten Vortrag. Die Schuldenbremse jetzt anzuziehen ist für ihn der falsche Weg.
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Der Vorsitzende des DGB-Ortsverbandes Ladenburg/Rhein-Neckar, Bernd Schuhmacher, kann der Corona-Pandemie kaum etwas Gutes abgewinnen. Die gesellschaftlichen Aktivitäten, die Wirtschaft, aber auch die Kultur liegen mehr oder weniger am Boden auch wenn das Licht am Ende des Tunnels immer heller wird. Allerdings habe Corona auch dafür gesorgt, dass endlich die Menschen im Mittelpunkt stehen, die es nach Auffassung des Gewerkschaftlers auch verdienen. „Nicht die Nieten in Nadelstreifen, sondern die Menschen, die in systemrelevanten Berufen arbeiten stehen jetzt im Focus“, meinte Schuhmacher, der beispielhaft Berufe wie Krankenschwestern, Altenpfleger, Verkäufer/Innen im Einzelhandel, aber auch Erntehelfer, Müllwerker und Handwerker nannte. Deren Einsatz sei einfach vorbildlich und dies sollte sich auch in der Lohntüte der systemrelevanten Berufsgruppen bemerkbar machen, die in Coronazeiten schier Unglaubliches geleistet hätten.

Dem Vorsitzenden der IG BCE-Ortsgruppe merkte man bei der ersten Veranstaltung im Veranstaltungsjahr 2020 an, dass Redebedarf besteht. Auch für das Jahr 2020 hatte der Vorsitzende wieder eine Veranstaltungsreihe organisiert, die sich sehen lassen konnte. Vorträge über Arbeitsrecht, Mitbestimmung und politische Themen standen im Veranstaltungskalender 2020. Doch dann kam Corona und Schuhmacher musste alle Veranstaltungen absagen.
Im Museums-Café Antique gab es nun die Vortragspremiere. Die Ortsgruppe wagte den Start und hatte mit dem Wirtschaftswissenschaftler und Buchautor Prof. Hagen Krämer gleich einen exzellenten Analytiker eingeladen. Zusammen mit Carl Chrisian von Weizäcker veröffentlichte Krämer das Buch „Staatsverschuldung mit Wumms“, das die Frage aufwirft ob Deutschland nach der Coronapandemie aus der Wirtschaftskrise kommen wird.

Die Zeiten, in denen der Staat keine Schulden machte, Investitionen eingefroren wurden sowie nach dem „Schwäbischen Hausfrauen-Prinzip“ gehandelt wurde, sind seit Corona vorbei. Was im privaten Umfeld noch nachvollziehbar ist, nämlich Schulden zu vermeiden, sollte sich ein Staat mit einer so hohen Wirtschaftskraft wie Deutschland nicht zu eigen machen. Wer nicht investiert rege den Konsum nicht an, was sich auf die Steuereinnahmen negativ auswirken würde, so die These des Wissenschaftlers.

Da hat der Scholz wirklich einen rausgehauen

Das von Wirtschaftsminister Olaf Scholz (SPD) auf den Weg gebrachte Rettungspaket sei in der Tat „ein Wumms“ gewesen, der Deutschland gut getan hat. „Da hat der Scholz wirklich einen rausgehauen“, meinte Hagen Krämer. Der Referent hielt übrigens nach sechs Monaten wieder einmal einen „Live-Vortrag“ vor interessierten Menschen. „Ob ich das noch kann?“, fragte sich der Professor für Volkswirtschaftslehre an der Karlsruher Hochschule für Technik und Wirtschaft. Die Frage war schnell beantwortetet: Krämer konnte es noch – denn er verstand es, das schwierige und komplexe Thema gut zu vermitteln.
Einen Seitenhieb auf das neoliberale Wirtschaftssystem, das in Deutschland auf dem Vormarsch war, wollte sich der Referent nicht verkneifen. Das Gesundheitssystem wurde nach und nach ausgehöhlt und er ist jetzt aber hoffnungsfroh, dass durch Corona eine Zeitenwende eingeleitet wird.

Die wirtschaftlichen Folgen des Lookdown seien gigantisch, meinte der Referent. Deutschland erlebte einen Angebots- und Nachfrageschock und die Unsicherheit bei den Menschen war groß. Die Folge war ein Absturz des Bruttosozialproduktes in einer nie gekannten Größe. Einen Einbruch von 10% gab es in Deutschland noch nie. Alle Wirtschaftsbereiche waren betroffen – mit Ausnahme der Bauwirtschaft, die in der Krise um 1.6% anwuchs. Für die Regierung sparte Krämer nicht mit Lob. Das Kurzarbeitergeld und die beiden Rettungspakete von insgesamt 130 Milliarden Euro sorgten dafür, dass die Bruttogehälter nur um 2.2% zurückgingen und sich die Arbeitslosenquote kaum verschlechterte. Deutschland habe die Krise wirklich gut gemeistert und die Stimmung helle sich merkbar auf, meinte der Wirtschaftswissenschaftler. Es war richtig, dass der Staat das „4-T-Prinzip“ heranzog. „Timley, targeted, temporary und transformativ” war angesagt was nichts anderes bedeut als dass die Probleme zeitnah, zielgenau, vorübergehend und zukunftsorientiert angegangen wurden.

Im Gegensatz zu den meisten Politikern hat Krämer beim Thema Schuldenbremse eine andere Meinung. Fast alle Bundesländer haben die Schuldenbremse in ihren Verfassungen gesetzlich verankert. Das Instrument jetzt anzuwenden sei allerdings Gift für die Konjunktur. Das gelte jetzt in Coronazeiten aber auch für später. Der Staat sollte daher nicht handeln wie die oft zitierte „schwäbische Hausfrau“ sondern weitere Konjunkturprogramm auflegen.

Autor:

Axel Sturm aus Ladenburg

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